Positive Verstärkung unterstützt Entwicklung
Newsletter | Juni 2025
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Wenn man sich heute als Führungsperson die Weltbühnen ansieht, könnte man auf die Idee kommen, selbst auch (wieder) voll auf Power-Play zu setzen. Nach dem Motto: „Die Leute sollen mich fürchten und das tun, was ich vorgebe. Alles andere interessiert mich nicht.“
Aber auch wer davon nichts hält, könnte von diesem Ansatz etwas lernen. Steckt in ihm doch eine starke Sehnsucht nach Effektivität und Effizienz. Eine Sehnsucht nach starker Wirkung. Eine Sehnsucht danach, Gestaltungsmacht und Selbst-Wirksamkeit zu erleben.
Positive Verstärkung als Kommunikationswerkzeug kann diese Sehnsüchte auf wesentlich friedlichere Weise erfüllen. Weil sie den Handlungsspielraum nicht radikal verengt, sondern ihn erweitert, indem sie bejahend, unterstützend und fördernd antwortet.

Positive Verstärkung ermöglicht allen beteiligten Akteuren, etwas zu entdecken, weiter zu entwickeln und damit Erfolgs-momente zu erleben – im jeweils eigenen Stil und den eigenen Möglichkeiten entsprechend.
Das erhöht für Individuen die Wahrscheinlichkeit für Zuversicht und inneren Frieden. Denn auch die haben viel mit Effizienz, Effektivität und Gestaltungsmacht zu tun.
Als Kulturelement in einem Team oder einer Organisation macht Positive Verstärkung stark, resilient und kreativ. Und sie hält Sehnsucht und Wünsche lebendig.
Eine individuelle Entscheidung
Die Geschäftsführung eines Kundenunternehmens entscheidet sich dafür, der eigenen Organisation einen Lebendigkeits-Spin zu geben: Während das komplexe und vielfältige Alltagsgeschäft seine routinierten Bahnen zieht, starten parallel New Work-Projekte, in denen die Akteure losgelöst von den eingespielten Strukturen arbeiten und Neues entwickeln können.
Eines dieser Projekte heißt ‚Leadership entfalten‘. Hier kommen die Führungs-personen aus drei Hierarchie-Ebenen zusammen, um sowohl gemeinsam als auch individuell zu lernen und dabei zunächst ihre eigene Leadership und damit auch die Führungskultur weiterzubringen.
Das hört sich einfach an, erweist sich aber als ziemlich herausfordernd. Es ist ungewohnt, sich gemeinsam mit allen „anderen“ auf einen eigenen Weg zu begeben.
Das Setting ist zwar gut gemacht und bietet eine Menge Anregungen; auch die vorgestellten Sichtweisen und Werkzeuge scheinen ganz ok zu sein.
Aber es kommen viele Fragen hoch: Wo stehe ich gerade? Ist meine Arbeit tatsächlich eine Leadership-Aufgabe? Das ist doch alles ziemlich privat, will ich das wirklich mit den anderen teilen? Wo will das hin? Kann ich hier überhaupt vertrauen, bin ich hier wirklich sicher?
Jede und jeder muss für sich entscheiden, sich auf den Weg zu machen (oder nicht) und dafür Verantwortung zu übernehmen. Nun lebt aber das Projekt davon, dass möglichst viele sich für „Ja“ entscheiden. Ein Zwiespalt. Wie lässt sich ein Klima schaffen, das das „Ja“ erleichtert, ohne zu manipulieren?
Mit Positiver Verstärkung. Das heißt, im Dialog und im Miteinander potenziell das zu verstärken, was in Richtung Aufbau, Zukunft, Offenheit, Anerkennung und Lebendigkeit geht.
Und „positiv“ heißt nicht gut oder lieb oder brav, sondern bejahend, förderlich, unterstützend.
Wie wirkt Positive Verstärkung und was setzt sie in Gang?
Positive Verstärkung ist leichter zu spüren als zu beschreiben. Sie wirkt ermutigend und belebend, gibt Energie, weckt etwas auf, macht zuversicht-lich. Sie lädt zum Handeln und Ausprobieren ein.
Damit etwas positiv verstärkt werden kann, muss es zumindest andeutungsweise bereits im Feld, in der Situation oder im Kontext der Beteiligten vorhanden sein – auch wenn man es zunächst vielleicht noch nicht wahrnimmt.
Positiv zu verstärken heißt nämlich nicht, jemand zu erklären oder darin zu beraten, was zu tun sei oder wie es richtig wäre.
Also kein Besserwissen und keine Manipulation! Wer positiv verstärken will, agiert immer als Gast im Feld einer anderen Person und muss sich vergewissern, dass der Gastgeber oder die Gastgeberin damit einverstanden ist. Dieses Einverständnis ergibt sich meistens im Dialog, durch Erzählen und Berichten. Der positiv verstärkende Gast geht behutsam vor und agiert aufmerksam zuhörend, erzählend, fragend, nachvollziehend, vielleicht um Erlaubnis bittend. Und verstärkt behutsam das, was in eine lebensorientierte Richtung geht.
Wenn es gut wirkt, fühlt sich die unterstützte Person gehört und gesehen, wie von einer weisen Freundin oder einem guten Freund. Möglicherweise ist sie auch von einer neuen Sichtweise überrascht, die ihre Neugier weckt.

Es läuft gut. Und dann …

In dem Kundenprojekt gelingt es nach einer ersten Etappe mit mehreren Workshops, viele der etwa 30 Mitglieder der Führungscrew zu erreichen. Man kann spüren, dass in den kleinen Arbeitsgruppen Aufmerksamkeit und ein vertieftes Miteinander gewachsen sind. Die Resonanz im Plenum geht in die Tiefe. Einige neue Werkzeuge sind angekommen und werden behutsam übernommen. Das Umgehen mit Polaritäten bekommt Aufmerksamkeit. Das Agieren aus der Gast- oder Gastgeber-Perspektive wird als Orientierung genutzt. Viele sprechen über die nächsten Schritte, die sie tun wollen.
Und dann plötzlich wie aus heiterem Himmel so etwas wie Widerstand oder Bremsen: Eine Person spricht von einem Mangel an Vertrauen. Und sie erinnert daran, dass es in der Vergangenheit Momente gegeben habe, in denen Vertrauen aufs Schwerste verletzt und sogar beschädigt worden sei. Und dass das nie ansprechbar war und für sie immer noch in der Luft hänge und gerade jetzt wieder sehr präsent sei.
Upps! Polaritäten im wirklichen Leben!
Standardmäßig wird so etwas als „jetzt nicht angebracht“ schnell wieder zurück unter den Teppich verbannt.
Heute aber geschieht etwas anderes: Der Geschäftsführer sagt, er erinnere sich. Und er ahne, was da angesprochen sei.
Nach einem Moment der Stille meldet sich jemand anderes zu Wort und erklärt, in der nächsten Phase des Projekts ‚Leadership entfalten‘ dieses Thema unbedingt im Auge zu behalten und sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten dafür einzusetzen.
Das Ende des Workshops ist schon sehr nah gerückt, und die beiden Statements lassen die Atmosphäre im Raum ruhiger werden; da ist ein Coolspot, in dem man positive Verstärkung spüren kann.
Es wird deutlich, dass da etwas schon länger auf Klärung wartet. Viele spüren auch, dass das Thema eigentlich alle angeht, jetzt aber den Rahmen sprengen würde. So wird es vertagt, und man weiß, es ist in guten Händen. Das Thema Vertrauen wird dank Positiver Verstärkung im Projekt lebendig bleiben.
Kleiner Boost für positiv verstärkende Akteur*innen
1. Sich der Herausforderung bewusst stellen
2. selbst immer wieder Zuversicht finden und zum Ausdruck bringen
3. Besserwissen gilt nicht!
4. zugewandt zuhören – zielgerichtet sprechen – zum Wohl des Ganzen beitragen
5. immer das Lebensorientierte, den Traum, die Idee oder Sehnsucht finden wollen – und behutsam ansprechen
6. bewusst kommunizieren und nicht vergessen, dass man routinemäßig eher negativ verstärkend reagiert
7. selbst auch abwägen – und das zum Ausdruck bringen
8. unterstützen und verstärken: neugierig – offen – beweglich
9. nach Möglichkeit Verbindungen und Beziehungen knüpfen
10. Zeit haben und sie sich nehmen.
Und nie vergessen, dass man als Gast im Terrain einer Gastgeberin oder eines Gastgebers agiert!

Selbstcoaching für wirksames Führen: Positive Verstärkung wahrnehmen und nutzen