Spannungen, Schattenpositionen und Flow

Newsletter  |  April 2018

Kürzlich arbeiteten wir mit dem Team eines feinen kleinen IT-Unternehmens, das unter Druck und Spannungen litt und zu mehr Flow, Effizienz und Leichtigkeit finden wollte. Die Mitglieder des Teams waren es leid, sich aufzureiben und Burnout zu riskieren. Außerdem hatten sie das Gefühl, noch wesentlich mehr drauf zu haben als das, was sie bereits –  sehr erfolgreich – realisierten. Ein Ziel war es daher auch, schlummernde Ressourcen zu entdecken und zu nutzen.
Als wir uns gemeinsam auf den Weg machten, wurde bald klar, dass die Schätze genau da zu heben waren, wo es Spannungen gab, wo es „knallte“, und wo aus einem unauffälligen Miteinander plötzliche Attacken hervorbrechen konnten, die sprachlos machten und verwirrten. Dann drehte man sich im Kreis, eine Runde nach der anderen, und immer wieder schien es dabei klare Opfer und Täter zu geben.
Schattenpositionen waren am Werk, und natürlich immer genau da, wo es richtig schmerzte.
Kommt Ihnen bekannt vor?

Freudiger Aufbruch und lauter Knall

Das Team wollte in die nächste Etappe aufbrechen und hatte dafür schon eine gute Basis geschaffen. Beste Startbedingungen also. Es gab zwar ein paar „hängende“ Probleme und einige Entscheidungen, die nicht so recht zustande kommen wollten, aber eigentlich war alles ok.

Guter Dinge machten sich alle daran, ihre individuellen Ziele für diesen Arbeitsprozess zu finden, bis plötzlich ein Teilnehmer regelrecht platzte und zwei andere angriff, dass die Fetzen flogen. Der Ausbruch machte die einen ganz still, andere wütend, und wieder andere schienen bei allem Schrecken auch erleichtert, dass es endlich passierte.

Eine vorher unsichtbare Spannung entlud sich mit Wucht und lautem Knall. Hotspot pur.

Schattenposition im Feld

Nicht nur ein Schlachtfeld ist ein Feld; man kann jeden Kontext, in dem Menschen miteinander agieren, als Feld betrachten. Dann ergeben sich bestimmte Positionen, die kontextbedingt dazugehören und leicht eingenommen werden. Und andere Positionen, die da zu sein scheinen, aber von niemandem eingenommen werden. Vielleicht „darf“ man sie nicht einnehmen, weil sie Tabus verletzen, weil „es sich nicht gehört“ oder weil man „mit so etwas“ nichts zu tun haben will.

Das sind typische Schattenpositionen: permanent da, im Untergrund wirksam, doch man tut so, als gäbe es sie nicht. Sie stören den normalen Ablauf (wie in unserem Fall oben), führen zu Konflikten und Spannungen, und dennoch haben sie etwas Wertvolles, wenn es um Veränderung und qualitatives Wachstum geht. Hartnäckig weisen sie auf irgendetwas hin, mit dem niemand sich gern beschäftigen möchte.

In unserem Beispiel zeigten sie sich in Form von Attacken und zerstörten damit die Eintracht in einem liebenswerten Team, das großen Wert auf freundschaftliches Miteinander legte.

Spannungen

Ebenso wie die Natur ist menschliches Zusammenleben voller Spannungen. Ständig und überall gibt es Unterschiede, die sich gegenseitig stören. Man behilft sich mit Marginalisieren (an den Rand drängen), Verurteilen oder auch Weglaufen, aber sie geben keine Ruhe, und man kommt nicht von der Stelle.

Wie kann man also mit Spannungen so umgehen, dass daraus eine vorwärtsgerichtete, eher fließende Bewegung wird, die Wachstum möglich macht? Vielleicht sogar Flow?

Das Einzige, was hilft: „anhalten“ und zuhören! Schattenpositionen drücken etwas aus, das im Feld fehlte und nach Auflösen der Spannung etwas Neues ermöglicht. Was es ist, kann man vorher nicht wissen, aber wenn man jetzt zuhört (mit einer großen Portion Offenheit und Neugier), kann man es erfahren.

 

Erlösung und Flow

Es muss knallen, damit eine Schattenposition endlich Aufmerksamkeit, Anerkennung und damit eine Existenzbestätigung bekommt, denn sie existierte vermutlich schon länger, wurde viele Male nicht beachtet und hat sich entsprechend aufgeladen. Ob man ihr nun zustimmt oder sie ablehnt: sie bringt etwas ins Feld, das bis dahin fehlte.

 

In unserem Beispiel bekam das Gehörte sofort alle Aufmerksamkeit, wurde sogar noch verstärkt und intensiver. Dabei wurde deutlich, dass nicht böser Wille, sondern Verzweiflung der Grund für die Attacke war. Große Erleichterung! So klang es jetzt wie ein Ruf nach Sicherheit und Führung. Wissen über Führungskonzepte gab es, aber man brauchte jemanden, der sagte: „Ich führe hier, und dafür stehe ich“.

Das äußerst wertvolle technische Knowhow des Unternehmens konnte jetzt eine Verbindung eingehen mit der Fähigkeit, zu führen und den Kunden zu „dienen“. Jetzt ging es im Kern darum, noch besser zu werden und auch die Arbeit mit den Kunden als  Entwicklungsweg zu sehen. Dazu fanden sich auch individuelle Ziele, die nicht mehr aus Opferpositionen oder Widerstand resultierten. Es begann zu fließen.