Die Führungskraft, die nicht führen will #3: mit Feldeffekten umgehen

Newsletter  |  April 2015

Zum dritten und letzten Mal geht es um die Führungskraft, die nicht führen will oder kann. Diesmal machen wir die Dose ganz auf und sehen uns das gesamte Feld mitsamt seinen Feldeffekten an.

Was ist denn eigentlich los, wenn die von „ganz oben“ desinteressiert sind und sich immer erst dann melden, wenn es eigentlich schon zu spät ist? Sich dann auch mit Anliegen und Details melden, die dem ganzen „Orchester“ nichts bringen? Wundert es da noch, wenn man in solchen Situationen dann auch Stimmen hört wie „die denken sowieso nur an sich selbst“ oder „wenn du Vertrauen haben willst, guck da nicht hin!“

Feld? Feldeffekte? Wichtig?

Oh ja! Denn als erstes hält das den Trost bereit, dass alles auch ganz anders sein könnte. Das bringt Hoffnung für all die vielen MitarbeiterInnen, die sich von ihrem Chef nicht geführt fühlen. Und einen Hauch von Vertrauen für all die Führungskräfte, die manchmal der eigenen Ohnmacht des Nicht-führen-können begegnen.

Ein Wunder wurde wahr: Alles war fertig.

Das Team hatte unter Federführung des Projektleiters gut gearbeitet. Der oberste Entscheider hatte zu Beginn seinen Segen gegeben, war mit einbezogen und hatte in der entscheidenden Phase Zustimmung durch „keinen Einwand“ gegeben. Nun war alles durchgesehen, geprüft, angepasst, und abgesegnet. Allen Beteiligten war der Investitions-Charakter des Projekts klar, und allen ging es auch um gute Pay-offs in der Zukunft. Selbst die Umsetzung funktionierte wie am Schnürchen, und die Beteiligten fanden sogar noch Verbesserungen und erleichterten sich gegenseitig das Leben.

Ein wirklich gelungenes Projekt mit tollem Spirit, beispielhaft ausgewogen – eine exzellente Basis für zukünftigen Erfolg.

Ein Überfall von oben

Es passiert wie aus dem Nichts: der oberste Entscheider meldet sich spätabends beim ahnungslosen Projektleiter und sagt, es sei „etwas vergessen worden“. Erst jetzt komme er dazu, sich damit zu beschäftigen, und man möge bitte „verstehen, dass eine der Parteien noch ein paar Zugeständnisse machen müsse.“

Der Projektleiter ist sprachlos: für ihn ist alles abgeschlossen und läuft. Die zunächst sehr divergenten Akteure ziehen jetzt an einem Strang und haben Vertrauen aufgebaut. Diese nachträglich eingebrachten Forderungen würden einzig der finanziellen Sicherheit des obersten Entscheiders dienen. Und ausgerechnet den Beteiligten, die in Zukunft für Kontinuität und unternehmerisches Gelingen sorgen sollten, würden damit die vereinbarten finanziellen Anreize entzogen.

Ein Wildschwein kommt selten allein

Alle, die gern Waldstrecken befahren, wissen: wo ein Wildschwein auftaucht, kommt bald auch das nächste. Ein Feldeffekt, der auch in Teams, Organisationen und Unternehmen vorkommt:

  •  Solange etwas nicht erledigt ist, meldet es sich überraschend hier und dort, immer wieder.
  • Wenn sich so etwas meldet, gibt es etwas wahrzunehmen, das man
  • bisher weder gesehen noch gespürt hat.
  • Wenn man bereit ist, dem Wahrgenommenen Aufmerksamkeit und Bedeutung zu geben, gewinnt man neue Fähigkeiten und Möglichkeiten, um damit umzugehen.

Solche Effekte aus dem Feld haben auf die Beteiligten eine starke Wirkung. Im positiven Fall lassen sie sich zu Stärke, Sicherheit und einem guten Klima „verarbeiten“. Wenn es nicht so gut läuft, fühlen viele sich gestört, es macht sie verrückt, und manch eine/r würde am liebsten weglaufen.

Für die, die nicht weggelaufen sind und sich auch nicht auf „Schuldige“ konzentrieren wollen: Wenn man sich an einer Stelle mit unangenehmen Feldeffekten wirklich beschäftigt, sie aus der Tiefe heraus erledigt und transformiert, dann werden sie sich höchstwahrscheinlich auch an anderen Stellen auflösen.

 

„Führungskraft-führt-nicht“ zerstört die Basis für Kontinuität und Erfolg

Was sich bei Mitarbeitern als Überfall präsentiert, ist führungstechnisch eine Panne. Gute Führung weiß, dass stetiger Wandel und permanente Veränderung Wohlwollen und Sicherheit brauchen. Sie hat ein Gespür für das Feld und die Kräfte, die darin wirken. Sie ist am Ball und merkt, wann ihre Präsenz gebraucht wird und wann nicht.

Der oberste Entscheider in unserem Fall hingegen engagiert sich gerade in einem anderen Feld und grätscht plötzlich von außen rein, obwohl er seinen Segen gegeben und keine Einwände gehabt hatte. Dieser Hin und-Her-Modus wirkt zerstörerisch. Statt nun auch das Ende abzusegnen, lässt sich der Entscheider von einem anderen Feld organisieren, das ihm sagt, er müsse seinen Profit „retten“. Damit greift er seine Verbündeten an, die auch in seinem Interesse für Kontinuität und Erfolg sorgen wollen. So wird der oberste Entscheider selbst zu einem wuchtigen Feldeffekt: die Furcht, alles könnte gescheitert sein, ist jetzt im Feld.

 

Den Feldeffekt „Führungskraft-führt-nicht“ akzeptieren

Wenn Führung die Wirkung von Feldeffekten in Richtung Vertrauen, Kreativität, Geduld und Souveränität drehen soll, muss der Faktor „Verletzlichkeit“ Raum bekommen: Führende müssen sich als Menschen zeigen und zum Ausdruck bringen, was sie empfinden und erleben.Das ermöglicht Coolspots – bedeutsame Momente im Team, in denen es plötzlich ganz ruhig wird und in denen alle wundersam zusammenwachsen.

Der erste Schritt: sich dafür entscheiden, das zu wollen. Dann ein Arbeitssetting etablieren, in dem die Beteiligten sich sicher genug fühlen können, um das ganze Feld gemeinsam zu betrachten und sich selbst offen zu zeigen. So offen, dass sogar gesagt werden könnte: „vielleicht ist ja alles ganz anders, als wir denken?“

 

 

 

 

 

 

 

Im konkreten Fall

Der oberste Entscheider könnte durch das Feedback der anderen merken, dass er gerade sehr allein ist. Und spüren, dass ihn etwas in Richtung Zerstören zieht. Auch, wie sprunghaft er ist. Seine Reaktion darauf könnte sein, wieder ins Gespräch mit den Beteiligten zu kommen, denn dieses Feld braucht ihn jetzt. Dann erst kann er (in geeigneter Form, s.o.) seine Sichtweise kommunizieren. Und lernen, dass die anderen ihn an ihrer Seite brauchen.

Der Projektleiter ist im Vorteil: er arbeitet mit den anderen zusammen und wird vom Feld gestützt und „genährt“. Wenn er sich trotz seines momentanen Schocks dessen bewusst werden kann, wird er vermutlich auch kreativ und souverän den obersten Entscheider in den Kreis der Beteiligten „einladen“ können. Das Projekt braucht dessen „Schluss-Segen“. Das Profit-Thema gehört in ein anderes Feld.