Geerdet – fit – digital
Newsletter | Februar 2016
Der Karneval ist vorbei, und auch dieses Mal haben wir wieder viel über das Leben gelernt: über die Geister des Ortes, über die Geister der Zeit und auch über die Geister, die jede/n von uns stetig durchs Leben begleiten.
Damit sind wir beim heutigen Thema: dem Geist des Digitalen, der einfach überall weht. Manchmal versteckt und eher heimlich, meist aber sehr manifest und gut integriert.
Digitales begegnet einem an jeder Ecke, und „digital“ wird mit allem Möglichen kombiniert. Auch die Menschen, die man an jeder Ecke treffen kann, erledigen meist gerade etwas Wichtiges auf digitale Weise. So kann man davon ausgehen, dass „digital“ etwas sehr Lebendiges geworden ist – ein Teil des Universums, in dem wir alle leben. Und so kommen wir heute zu der Frage: Was funktioniert gut in dieser Sparte des Universums, wie lebt und arbeitet man am besten darin und damit, und wie lässt sich gemeinsam mit dem Digitalen das Beste erreichen?
Vor einigen Jahren war es so
Einer unserer Kunden, eine IT-Lösungen unterstützende Beratungsfirma, war von einem großen Einzelhändler damit beauftragt worden, einen Online-Shop aufzubauen. Unbedingt wollte er „wie Amazon“ werden und fürchtete dabei, seine Wettbewerber könnten ihn überholen. Es sollte also unbedingt auch schnell gehen. Schnell ging dann vor allem eins: man geriet sich in die Haare. Der Versuch des Einzelhändlers, die Spielregeln des lokalen Verkaufens auf das Online-Geschäft zu übertragen, funktionierte nicht.
Aber auch beim Berater gab es einen Blindspot: Dessen Mitarbeiter hatten umfassende Erfahrung bei der Konvertierung von Business-Modellen in IT-Lösungen und waren darin auch richtig gut. Aber für die Konvertierung lokal einkaufender Kunden in Online-Einkäufer hatten sie (noch) kein sicheres Gespür.
So reichte das vereinbarte Budget bald nicht nicht mehr aus, und bewährter Logik folgend versuchte jede der beiden Parteien, die Lasten bei der anderen unterzubringen.
Die Lösung kam langsam und unter großen Reibungen. Beide Seiten mussten erst mal wieder die Füße auf den Boden kriegen und gemeinsam erkennen, dass sie Wissenslücken hatten. Ihre bisherige Fitness reichte einfach für die neue Aufgabe noch nicht aus. Sie mussten lernen, dass „digital“ auch „vernetzt“ und „gemeinsam“ heißt.
Neu: wir nehmen uns Zeit fürs Zusammensein
Man einigt sich auf einen ersten Termin mit reichlich Zeit. Als alle zusammenkommen, ist jeder erstmal vorsichtig, abwartend, abtastend. Wie unter hochkarätigen Experten üblich, zeigt jeder, wo er steht und woher er kommt. Es gibt die Tendenz, sofort an Sachlösungen und konkreten Aktivitäten zu arbeiten und schnell zu Beschlüssen zu kommen.
Dann sagt eine andere Position: „Von wem sind wir eigentlich legitimiert, hier zu arbeiten? Woran werden wir erkennen, dass diese Instanz unsere Arbeit aufnimmt und ihr zu Momentum verhilft?“
Eine weitere Position: „Brauchen wir alles nicht. Wir schnappen es uns einfach und machen was draus. Die anderen interessieren uns nicht. Wir gehen einfach zu den Kunden.“
Und dann ist da die Position, die sagt „Wir müssen mit methodisch sauberen Fragen vorangehen und sollten uns nicht mit dem aufhalten, was uns jetzt vielleicht störend erscheint“.
Kurz, die Diversität ist groß und unerschöpflich. Aus einer Sicht Vernünftiges und aus anderer Sicht Nicht-Vernünftiges stehen sich gegenüber. Was ist schnell, was ist langsam? „Ich weiß es“ und „so muss es sein“ sind im Raum, aber auch „ich weiß noch nichts und muss es erst wissen“. Und auch „wenn die ‚Oberen‘ nicht mitmachen, gehen wir eben woanders hin“.
Heute ist vieles geschafft
Die Online-Shops und -Geschäftsmodelle laufen inzwischen rund, „digital & vernetzt“ funktioniert und ist fast überall gut verankert. Die nächste Ausbaustufe, Industrie 4.0 und das „Internet der Dinge“, ist in Arbeit. Nicht nur alle, sondern wirklich alles soll zukünftig miteinander im digitalen Kontakt und direkten Austausch sein. Manuelle Prozesse werden zu digitalisierten Prozessen.
Riesige Einsparungs- und Ausbaupotenziale sind da plötzlich sichtbar, und alle wollen dabei sein. Immer noch gilt aber, dass sich nicht einfach linear das Eine in das Andere übertragen lässt. Die Aufgabe heißt eher: Was ist zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu tun – unter Berücksichtigung dessen, was einen selbst ausmacht? Das setzt eine andere Art von Fitness voraus, zum Beispiel Agilität.
Führende und sich-führen-Lassende sind als Menschen und Arbeitende angesprochen, auf den veränderten Kontext ihres Miteinanders zu reagieren. Führungskultur braucht mehr Interkulturalität, denn schon Digital Natives und analog Sozialisierte kommen aus völlig unterschiedlichen Welten und können sich nicht immer auf Anhieb verständigen. Offenheit & Lebendigkeit & Beweglichkeit (Agilität) werden gebraucht, um im digitalen Modus erfolgreich zu führen und sich führen zu lassen.
So kann es weiter funktionieren
Die Technik baut sich ins Miteinander ein, stützt Bedürfnisse, verändert sich bei Bedarf wieder. Das braucht von den Menschen wache Aufmerksamkeit für Signale, um den Kurs zu halten und gegebenenfalls zu ändern, zu wissen, was man gerade tut, „nein“ sagen zu können – die Urformen des Umgehens mit sich selbst sind gefragt.
Ein erstes Prinzip scheint uns dabei wichtig: je schneller es gehen soll, desto lohnender ist die Orientierung am eher Zeitlosen. Dann sind es noch drei weitere Dinge:
1. geerdet sein – von innen heraus
Die IT-Welt braucht Infrastruktur, um zu funktionieren. Auch der Mensch braucht innere Struktur, um das Gewicht der Technik zu balancieren.
Erreichen lässt sie sich durch inneres Management, die erste von drei Management-Dimensionen. Das heißt:
- sich vergewissern, wer man ist, wo man ist, worum es gerade geht
- sich körperlich spüren: den Atem, das Befinden, die eigene Wirkung
- seelische Zustände wahrnehmen: Bedürfnisse, Ängste, Möglichkeiten, etc.
Das ist Selbst-Führung, kontextunabhängig und universal. Im übertragenen und weiterentwickelten Sinn kann man sie auch Teams, Organisationen und Unternehmen zugänglich machen.
2. fit für Beziehungen zu Mensch und Technik
Die IT-Welt ist vernetzt. Damit ist die zweite der
drei Management-Dimensionen angesprochen: das Gestalten
von Beziehungen, das besondere Fitness und immer wieder neue
Beweglichkeit braucht:
- die eigene Position einnehmen und Beziehungen zu anderen aufnehmen
- Respekt und Wohlwollen für sich selbst und die anderen
- Managen von Distanz, Nähe und Grenzen. Coolspot-Orientierung.
Dazu gibt es eine ganze Reihe von hilfreichen Werkzeugen und ein wichtiges Prinzip: die Akzeptanz von Kontinuität und Emergenz (Werden-lassen). Hilfreich ist außerdem der Wille, es anderen leicht zu machen, mitzugehen und gleichzeitig dem eigenen Weg zu folgen.
3. digital – für größere Reichweite
Und zwar so, dass es funktioniert und die Beteiligten weiterbringt. Auch dafür gibt es Prinzipien, die für jede/n Einzelne/n ebenso wie für Teams und Unternehmen hilfreich sind:
- sei bewusst ein Spieler im Feld, auch wenn du es nicht überblicken kannst
- nutze die Lebendigkeit, die ohnehin da ist, und fördere positive Dynamiken
- setze saubere Ziele und lass dir von Synchronizitäten und Synergien helfen
Auf diese Weise ist „digital“ in komplexen und dynamischen Führungssituationen ein zentraler Erfolgsfaktor, indem das Feld zu einem Resonanzraum für Lösungsorientierung, Weiterentwicklung und qualitatives Wachsen wird.