Krieg im Feld: zukunftsfähiges Führen ist dran
Newsletter | Februar 2023
Podcast hören
Ja, dieses „Kriegs-Ding“ beschäftigt uns andauernd. Und wir finden, dass es in diesen Zeiten auch Aufmerksamkeit und Bewusstsein beim Führen und Sich-führen-lassen braucht.
Für uns als Kinder der fünfziger Jahre war das Thema Krieg mit dem Fall der Mauer eigentlich erledigt. Im Alltag wurde allerdings vieles weiterhin Krieg genannt. Und schwingt nicht auch Krieg mit, wenn von „Beseitigen“, „hat hier keinen Platz mehr“, „tödlich treffen“ oder „Herausnehmen“ gesprochen wird?
In Organisationskontexten ist Kriegerisches durchaus üblich. Man könnte manchmal meinen, Krieg lasse sich nicht verhindern. Dann sollte aber auch gelten: Wer den Krieg beginnt, trägt die Verantwortung dafür, ihn zu beenden.
Was uns heute beschäftigt:
Im Kontext von Krieg werden besondere Fähigkeiten gebraucht, um mit ihm umgehen zu können. Denn wenn das Umgehen mit Krieg sich auf Härte & Rigidität einerseits und Wegducken & Nicht-Hinsehen andererseits beschränkt, ist Zukunftsfähigkeit in Gefahr.
Was kann man also jetzt tun? Und wie kann man sich dafür einsetzen, Zusammenarbeiten zu einer Kunst zu machen, die Wohlwollen und (inneren) Frieden begünstigt?
Große Überraschung: Verletzlichkeit ist sofort im Spiel
In einer großen Weiterbildungs-Konferenz mit Fachleuten im Bereich Führen und Organisations-Entwicklung machten wir Krieg und zukunftsfähiges Führen zum Thema eines Explorations-Workshops.
Schon beim Formulieren und Vorstellen des Titels hatten wir den Eindruck, dass zwar ein Nerv getroffen wurde, aber gleichzeitig auch ein leises „bitte nicht jetzt“ im Raum war.
Der Workshop fand dann auch interessierte und aktive Teilnehmer*innen, und in der Eingangsrunde erzählten alle, wie sie den 24. Februar 2022 erlebt hatten. Sofort wurde klar: Hier spricht Verletzlichkeit. Eine Verletzlichkeit aus der Tiefe der eigenen individuellen Geschichte. Vieles kam zum Ausdruck, das man, teilweise ohne es zu wissen, ganz selbstverständlich „im Gepäck“ hat. Rührend und berührend.
Keine Überraschung: Härte ist gefragt
Wer sich im Krieg bewegt, ihm ausgesetzt ist und überleben will, muss eine gewisse Härte entwickeln, oder? Härte im Sinne von „Aushalten-Können“, von „Fokussieren“ und „Durchziehen“, von „Handeln, ohne zu zögern“.
Dieses Verhärtet-werden hat den Vorteil, dass man vieles an sich abprallen und vorübergehen lassen kann – nach dem Motto „nicht jetzt“. Es hat auch den Vorteil, dass alle Energie und Kraft dem Handeln unter Kriegsumständen zur Verfügung steht. Ein weiterer Vorteil ist, dass man vieles einfach nicht spüren muss.
Die Weisheit der Runde im Workshop spürte bei all diesen „Vorteilen“ aber auch den Schmerz, der sich hier – vielleicht unbeachtet und unbearbeitet – ansammelt, einfrisst und wirkt.
Eine Position der Stärke: was kann ich dafür tun?
Ein wichtiges prozessorientiertes Prinzip (vermutlich aus der selben Quelle wie bei den Martial Arts) ist es, vom Gegner zu lernen und dessen Energie zu nutzen. Vor allem dann, wenn man es mit überwältigenden Kräften zu tun hat.
Es gibt vielfältige Ansätze, um dieses Prinzip praktisch umzusetzen. In allen ist wichtig, dass man dem treu bleibt, was einen selbst ausmacht. Das ist etwas Lebendiges, Werthaltiges, Einzigartiges – und hat mit Verletzlichkeit zu tun. Wenn dann das Verhärten einsetzt, könnte dieses im guten Fall „dazu“-kommen, nicht aber der Ersatz für das eigene ganz Besondere sein.
Die Weisheit der Workshop-Runde sammelte schließlich eine ganze Reihe von Impulsen und Ideen für persönliches Handeln ein. Daraus ergab sich diese Liste:
> (Bewusstsein für) Stärke
> für (saubere) Grenzen sorgen
> von innen heraus
> Vielfalt fördern
> Bildung
> Einen Menschen als Menschen wahrnehmen + anerkennen
> da sein – so sein – wert sein
> Bewusstsein für eigenes Handeln
> Sinn durch Handeln
> Angst abbauen
> sichere Räume schaffen
> Fehler machen dürfen
> selbstbestimmte Kultur
Zukunftsfähiges Führen ist dran
Es gibt essentielle Faktoren, die Führen den Charakter und „Geschmack“ von Zukunftsfähigkeit verleihen.
Mit dreien arbeiten wir schon seit längerer Zeit:
> Raum öffnen
> Bewegung möglich machen
> Unbekanntes willkommen heißen
Nun lehrt uns diese neue Etappe, in der Krieg im Feld ist, diese drei Faktoren um zwei weitere zu ergänzen:
> Verletzlichkeit & Berührbarkeit wach halten
> Führen – Raum haltend
Was bedeutet das für das Arbeiten jetzt, im Jahr 2023?
Als Führungsperson muss man wissen, dass Krieg derzeit (fast) überall „mitspielt“ – auch dann, wenn er auf den ersten Blick unsichtbar oder weit weg ist. Die Tendenz zum Verhärtet-werden ist dennoch da, und das ist in Ordnung.
Und gleichzeitig bietet sich Resilienz an, um auch weiterhin mit der eigenen Empfindsamkeit umzugehen. Die braucht nämlich stetige Pflege und Aufmerksamkeit. Führungs- und Unternehmenskultur kann da wunderbar unterstützend wirken – und selbst auch wunderbar profitieren.
Warum also nicht sofort anfangen und behutsam vorankommen?
Wegbeschreibung für das Selbst-Coaching: Position der Stärke: Raum halten & mit der Attacke arbeiten