Aufrichtigkeit ermöglicht qualitatives Wachstum

Newsletter  |  Juni 2018

„Lange nichts mehr von Ihnen gehört, was ist los?“ schrieb uns letzte Woche ein Newsletter-Leser. Ja, er hatte es gemerkt: wir waren einige Wochen „außer Betrieb“. Der Krankheits- und Sterbefall eines nahestehenden Menschen hatte alle Pläne verändert. Diesen Weg mitzugehen und zu tun, was jeweils dran war, bekam oberste Priorität. Und es war viel dran.

Nun sind wir in der Phase „danach“. Und fragen uns: Was können wir aus dem gerade Erlebten und Erfahrenen für das Arbeiten mit Menschen, für gutes Führen und die Kunst des Zusammen-arbeitens lernen?

Es gab Phasen großer Unsicherheit und Momente endgültiger Veränderungen. Auch ein immer wiederkehrendes Durcheinander im Kreis der betroffenen Beteiligten.

Weglaufen war keine Option. Klar wurde auch: Man kann es nicht schnell mal allein machen. Man braucht Rahmen und Struktur für kohäsives

Miteinander. Und Raum für Konflikte – auch heftige Konflikte.
Hilfreich: Respekt vor der Größe des Prozesses und Respekt für sich selbst und die anderen. Respekt vor Unterschieden. Mut zum nächsten Schritt und Offenheit für bislang völlig Unbekanntes.
Und dann ist da noch etwas: Aufrichtigkeit.

Ein Balanceakt

Aufrichtigkeit ist eine Haltung von Respekt für sich selbst und das Gegenüber. Sie erlaubt es, eine bewusste Position einzunehmen – abhängig vom Kontext und abhängig vom Sinn, um den es geht.
Aufrichtigkeit wägt ab und will auch andere zu Aufrichtigkeit einladen. Sie will nicht verletzen, kann aber verletzend wirken, denn häufig überschreitet sie eine (unausgesprochene) Schwelle oder Grenze. Aufrichtigkeit kann daher ungeahnte Wirkungen oder Konsequenzen haben, die ebenfalls Respekt brauchen.

Ein wachstumsorientierter Prozess

Wer aufrichtig ist, setzt einen Prozess in Gang, der sich nicht kontrollieren lässt. Man kann ihm nur folgen. Es gilt, für diesen Prozess Verantwortung zu übernehmen – im wörtlichen Sinn von response-ability: man baut die eigene Fähigkeit aus, weiterführende Antworten auf das zu finden, was geschieht. Alte Gewissheiten können sich dabei verändern.
Das kann tatsächlich gefährlich werden: für einen Status quo, der bleiben soll, oder für Tabus – für Unausgesprochenes und für „Selbstverständliches“. Wenn die Gegenkräfte mächtig sind, kann es auch gefährlich für den oder die Aufrichtige werden. Im Extremfall kann es den Job kosten, die Freundschaft, Sicherheit oder Privilegien.
Aber es wird etwas Neues entstehen: eine Verbesserung, eine neue Balance, ein neuer „state of the art“, mehr Tiefe, mehr Gemeinschaft zum Beispiel.

Was könnte helfen?

Aufrichtigkeit braucht einen klaren Bezug zum Kontext und angemessene Stilelemente, um wirksam zu sein. Hilfreich sind:
  • eine Perspektive, die aus Betroffenen Beteiligte macht
  • Wohlwollen für sich selbst und die anderen Beteiligten
  • zum Gelingen und Wohlbefinden des Ganzen beitragen wollen
  • Bewusstsein für die eigene Position und deutlich machen, aus welcher Position man gerade spricht
  • Verletzlichkeit: den eigenen Zustand, innere Konflikte, Zweifel und Entwicklungen zum Ausdruck bringen
  • spüren, wenn man etwas tut, das den Mainstream angreift
  • Wenn man in einer Pionierposition ist: für möglich halten, dass die anderen ganz woanders sind und (noch) nicht sehen, was für einen selbst bereits selbstverständlich ist
  • Gefühle und Empfindungen zulassen: Schmerz, Trauer, Wut, Verzweiflung, Angst
  • Geduld: sich selbst und den anderen Zeit zum Verarbeiten geben
Garantien zum Gelingen kann es wahrscheinlich nicht geben. Aber es gibt immer einen nächsten Schritt. Und vermutlich noch einen. Und wieder einen. Und wenn man nicht sieht, wie es weitergehen soll, dann hilft vielleicht das Vertrauen, dass es zu irgendeinem Besten will.
Was aber garantiert hilft: es mit anderen Beteiligten gemeinsam zu machen. Allein geht es nicht.